Montag, 15. August 2016

Mein erster DNF



Wieder zu Hause und einigermaßen erholt kann ich nun auch verarbeiten, was da am Samstag passiert ist. Mein erster DNF in acht Läuferjahren und dann ausgerechnet bei so einem Event ist schon bitter, aber genau betrachtet, war es definitiv die richtige Entscheidung.

Doch von vorn: Freitag morgen gegen halb acht holte mich meine Freundin Petra, mit der ich den Lauf gemeinsam absolvieren wollte, von zu Hause ab. Unsere Männer wollten dann später nachkommen, die Radbegleitung war ja erst ab Teltow bei km 59 geplant.

Wir fuhren also Richtung Berlin und suchten uns dann direkt am Jahn-Sportpark einen Parkplatz. Dies nahm leider etwas mehr Zeit in Anspruch als gedacht, so dass wir zur Führung durch das Areal der Mauergedenkstätte etwas zu spät kamen, was aber kein Problem war. 
 
Gleich im Anschluss daran folgte der Friendship-Run vom Besucherzentrum zum Start-/Zielareal und weiter bis zum Ramada-Hotel in der Nähe vom Alexanderplatz (ca. 5km). Dort erfolgte die Startnummernausgabe




Da wir mittlerweile sehr hungrig waren, machten wir uns anschließend auf zu einem kleinen Stadtbummel und auf Nahrungssuche. Ich musste mal wieder für mich feststellen, dass ich Berlin überhaupt nicht mag. Diese Stadt ist mir zu laut, zu hektisch und viel zu voll (sorry an all meine Berliner Lauffreunde). Aber gut, ich meide ja auch mein Dresdner Stadtzentrum und bevorzuge die Ruhe der Natur. 

 









Danach gingen wir noch einmal zu Start und Ziel zum Auto, um die Drop-Bags zu packen und abzugeben. Zurück im Hotel war noch Zeit bis zum Briefing, die für etwas Schlaf genutzt wurde. Beim Briefing und dem anschließenden Läuferbuffet habe ich viele mir bekannte Läufer getroffen und hier und da einen kurzen Plausch gehalten.
das gab es als Souvenir dazu
 

auch Prominenz war am Start.















  
Kurz vor zehn Uhr war dann Nachtruhe, ich konnte einigermaßen gut schlafen und gegen vier Uhr morgens klingelte der Wecker. Anziehen, Frühstück und ab ging es Richtung Jahn-Sportpark. Viel Zeit bis zum Start war nicht mehr. Es war schon jetzt relativ warm. Startschuss, eine dreiviertel Stadionrunde und hinauslaufen in die erwachende Stadt (obwohl – auf dem Weg zum Start hatte ich den Eindruck, dass die Stadt niemals schläft). Wir folgten dem Mauerweg und der gepflasterten Linie, die den ehemaligen Mauerverlauf markiert, durch Berlin hindurch.
Petra, Arne und ich am Reichstagsgebäude
Das erste Highlight kam bereits bei km 7 am Brandenburger Tor. Kurz davor war aus ca. 500 Holzziegeln eine  symbolische Mauer aufgebaut und jeder Läufer nahm sich einen Ziegelstein mit und trug diesen durch das Brandenburger Tor, so dass nach und nach diese Mauer abgetragen wurde. Ich fand diese Aktion sehr gut. Hinter dem Brandenburger Tor wurde von jedem ein Foto gemacht (das bekommen wir noch per Mail zugeschickt), danach kamen die Mauersteine in Boxen und am Sonntag zur Siegerehrung konnte sich jeder einen dieser Steine als Andenken mit nach Hause nehmen.
 Weiter ging es immer entlang des ehemaligen Verlaufes der Berliner Mauer u. a. durch Kreuzberg (hier hatte ich ehrlich gesagt einige Male Mühe, mein Frühstück drinzubehalten, da es immer wieder recht heftig nach Urin stank) bis zum Assisi-Panometer, durch welches wir durchlaufen durften und auch die Gelegenheit nutzten, kurz auf das Podest zu steigen und uns umzusehen. Auch wenn man in dem Moment nicht allzuviel davon mitbekommt, so war das doch ein sehr bewegendes Erlebnis.

ein Ausschnitt aus dem Panoramagemälde im Assisi-Panometer
Der nächste Höhepunkt folgte dann bei etwa km 13 entlang der East Side Gallery. Mittlerweile war es schon recht warm geworden, die Sonne deutete hier schon an, dass sie uns wohl den ganzen Tag lang begleiten wird.

Es ging mir gut, auch wenn wir hier eigentlich etwas zu schnell unterwegs waren, aber es rollte. Wir passierten Neukölln und ich war froh, aus der Stadt endlich raus zu kommen. Dann liefen wir schier endlos in der prallen Sonne entlang der Autobahn Richtung Rudow. Inzwischen hatten wir ca. 30km weg und VP 5 kam in Sicht. Jetzt machten sich erste Schmerzen im rechten oberen Oberschenkel / Übergang zum Po bemerkbar. Ich kenne dass, hatte diese Probleme bei meinen vorhergehenden langen Läufen auch schon, konnte diese dort jedoch immer wieder durch das Gehen an den Anstiegen kompensieren. Aber hier gab es keine Anstiege und die Gehpausen hinter den VP`s brachten somit kaum Linderung. Auch mit der Nahrungsaufnahme klappte es nicht so gut, ich hatte Magenschmerzen, bekam aber kaum was rein, nur Orange und Melone und musste mich zu einem kleinen Schnittchen regelrecht zwingen. Getrunken hab ich viel, vorwiegend Wasser und Cola und auch zwischendrin aus meinem Trinkrucksack immer wieder Wasser.

An einem VP (8, wenn ich mich recht erinnere) stand Falk Hübner an der Strecke. Er sprach mir gut zu und motivierte mich, weiterzumachen. Seine Frohnatur und die guten Worte taten gut und es ging wieder ein Stück besser.

Das Laufen fiel mir aber schon recht schwer. Ich beschloss daher, mich noch bis zum ersten Wechselpunkt in Teltow (km 59) durchzubeißen, denn inzwischen meldete sich auch die linke Seite immer heftiger. Hier in Teltow warteten die Männer mit den Rädern auf uns und wollten uns ab da begleiten. So war Petra dann nicht allein unterwegs und ich konnte aus dem Rennen aussteigen. 
Ankunft in Teltow
Meinen Mann hatte ich kurz vor Erreichen des VP`s schon telefonisch informiert, so dass er sich darauf einstellen konnte. Als ich jedoch meinen Chip abgeben wollte, überredete mich der Helfer vor Ort und auch einige Mitläufer, mich doch ersteinmal eine ganze Weile auszuruhen, umzuziehen (einmal komplett Wechselsachen incl. Schuhe hatte ich im Drop-Bag deponiert), was zu essen und dann zu entscheiden, ob ich aufhöre oder weiterlaufe. Also verabschiedete ich mich von Petra, denn von nun an würden wir getrennt laufen, und wünschte ihr alles Gute. In der Sporthalle am Wechselpunkt gab es Duschen, die ich auch gleich nutzte. Ich zog mich um und ruhte mich etwa eine halbe Stunde aus. 

 
 
Danach fühlte ich mich wieder besser und es ging doch weiter, die Zeit bis zum Zielschluss würde locker reichen, selbst wenn ich von hier aus straff wandern würde. 

Bis zum übernächsten VP bei km 72 lief es auch wieder recht gut. Jedoch nagten die knapp 7 km schnurgeradeaus durch den Wald schon mächtig an der Moral. Ab VP 12 habe ich dann nach jedem Kilometer eine Gehpause eingelegt,  jedoch wurden von nun an die Laufabschnitte immer kürzer und die Gehpausen immer länger.



Von der Natur und der schönen Landschaft rund um den Sarkow-Paretzer Kanal habe ich nicht viel mitbekommen. Auch als ich über die Glienicker Brücke lief, konnte ich das nicht mehr so richtig genießen. Der Magen drückte, der Kreislauf wollte nicht so recht und ab der Hüfte abwärts tat alles einfach nur weh und die Beine waren schwer und fest. Auch die Füße brannten ganz schön. Dieses monotone Laufen auf ebenem und zumeist asphaltiertem Untergrund war nix für meinen Körper und erst recht nichts für meinen Kopf.

Glienicker Brücke















Unterstützung bekam ich in der Phase viel. In erster Linie von meinem Mann, der mir immer gut zuredete und mich motivierte. Auch über Whats app gab es viele aufmunternde Texte von Bekannten und Freunden. Der Hit aber war Christian Kemper, der Organisator vom Nachtzechelauf in Freiberg, der mir Sprachbotschaften schickte und mich aufzubauen versuchte. Er hatte zum Thüringen Ultra Anfang Juli die 100 Meilen dort bravourös gefinisht und konnte gut nachvollziehen, was gerade in mir vorging. Ich war zu Tränen gerührt, aber leider half auch diese Motivation nicht gegen meine Schmerzen. Jeder Schritt wurde zur Qual und somit stand für mich fest, dass ich aussteigen werde. Es galt nur noch zu überlegen, von wo aus ich dann am günstigsten zum Quartier in Stahnsdorf komme. 

Da der nächste Wechselpunkt am Schloss Sacrow war und ich dort meine langen Laufsachen für die Nacht deponiert hatte, beschloss ich, mich wenigsten noch bis dahin zu schleppen, damit ich trockene, warme Sachen habe. Die letzten 6 km zwischen VP 14 und 15 konnte ich jedoch nur noch wandernd überwinden und selbst das fiel mir recht schwer. 
In Sacrow angekommen, packte ich mich erstmal auf eine Matte und ruhte mich aus. Mein Mann wollte mir etwas zu essen und zu trinken holen, aber ich bekam nichts runter. Meine Gedanken kreiselten und ich überlegte, mich jetzt hier länger auszuruhen, umzuziehen und die „restlichen“ 71 km bis ins Ziel zu wandern. Inzwischen war es 20.00 Uhr, ich schon 14 Stunden unterwegs. Die Zeit hätte noch ausgereicht, um vor Zielschluss anzukommen. 


Aber war das wirklich das, was ich wollte, 71 km und somit noch reichlich 14 bis 18 Stunden wandern, durch die Nacht (ich glaube, auch dieser Punkt war mental sehr entscheidend), mit den Schmerzen? War das mein Anspruch an einen Lauf – ankommen um jeden Preis? Definitiv nicht – ich muss niemandem irgendwas beweisen. Ich bin gerade knapp 91km gelaufen, nicht in den Bergen mit hoch und runter, sondern flach und eintönig. Und darauf bin ich stolz und mit meiner Entscheidung, an dem Punkt aufzuhören, auch völlig im Reinen.

Meine Freundin Petra kam sehr gut durch und finishte in einer super Zeit von 23:45.xx. Sie will diesen Lauf nächstes Jahr wiederholen. Dann verläuft die Laufstrecke in umgekehrter Richtung und es gibt zusätzlich zur Finisher-Medaille noch eine Back-to-back-Medaille für sie dazu.

Für mich war es schön, ein Teil dieser Mauerweglauf-Gemeinde gewesen zu sein. Ich bin um einige Erfahrungen und Erkenntnisse reicher und weiß nun, dass diese Art von Lauf nicht mein Ding ist (und ich vielleicht doch mal das Laufen durch die Nacht trainieren sollte). Ich fühle mich im Thüringer Wald und Harz auf jeden Fall wohler und werde daher auch keinen neuen Versuch starten, den Mauerweg-Lauf doch noch mal zu finishen. Was die 100 Meilen betrifft – da gibt es noch andere Möglichkeiten, z.B. in fünf Jahren zum 15. Thüringen Ultra. Aber das wird dann sicher eine andere Geschichte und wer weiß, was bis dahin noch alles passiert.

1 Kommentar:

  1. Liebe Ines, als ich Deinen Post gerade gelesen habe, hätte ich Dich am liebsten in den Arm genommen. Wahnsinn was Du geleistet hast und Hut ab vor der Entscheidung den Lauf abzubrechen, welche mit Sicherheit die richtige war. Ganz toll gemacht !!!!
    Liebe Grüße Leen

    AntwortenLöschen