Borderland Ultra – Grenzen
erlaufen
Samstag, 11. Juni 2016, morgens um 7.00 Uhr – nun war es also soweit. Gleich sollte der
Lauf starten, der mir schon seit Monaten Bauchschmerzen bereitet hat und mich
lange im Vorfeld mental ganz schön beanspruchte.
Geplant waren ja eigentlich die 111km mit einem Start um
2.00 Uhr in der Nacht, einer 42km-Schleife durch bzw. über die Gleichberge, um
danach auf die 69km Strecke zu gehen. Nicht die Länge der Strecke machte mir
Sorgen, sondern der Lauf durch die Nacht durch den Wald und mit ca. 800hm auf
einer da schon sehr anspruchsvollen unbekannten Strecke. Danach durch
Start/Ziel durch und nochmal auf die 69km-Schleife mit ca. 1150hm? Worauf hab
ich mich da wieder eingelassen.
Aber zum Glück für mich kam alles anders.
Zum Rennsteiglauf beichtete mir meine Lauffreundin Petra bereits, dass sie
gesundheitlich ein wenig angeschlagen ist und sich daher die 111km nicht
zutraut, um unsere weiteren großen Projekte nicht zu gefährden. Einerseits tat
es mir für sie sehr leid, andererseits war ich gleich darauf mehr als
erleichtert, die ganzen 111km nicht mehr laufen zu müssen.
Ihre erste Idee war, mich auf dem Nachtmarathon zu begleiten
und dann den „Staffelstab“ an meinen Mann abzugeben, der mich auf dem Rad
weiter begleiten könnte. Ich jedoch ergriff sofort die Gelegenheit beim Schopfe
und entschied mich dazu, auf die 69km umzumelden und auf den Nachtmarathon zu
verzichten. Meine Idee war dann, dass Petra mit mir starten könnte und mein
Mann könnte mit dem Auto verschiedene VP´s anfahren, wo sie wiederum jederzeit
aussteigen könnte und er mit dem Rad mit mir weiterfahren könnte. Und so war es
dann auch beschlossene Sache und ab diesem Moment ging es mir wesentlich
besser, das mulmige Gefühl war weg und ich begann sogar, mich auf den Lauf zu
freuen.
Nun stand ich also mit Petra und ca. 30 weiteren Verrückten in Streufdorf
mit am Start. Die Stimmung war recht gut.
Das Wetter sollte in diesem Jahr zum Glück für uns
wesentlich läuferfreundlicher werden als das Jahr zuvor, um die 20°C, bedeckt
und trocken, also perfekt. Einige Läufer vom Nachtmarathon waren bereits im
Ziel und auch ein paar Läufer der 111km waren schon durch.
Pünktlich um 7.00 Uhr gab der Landrat persönlich den
Startschuss und das kleine Läuferfeld setzte sich in Bewegung in Richtung
Burgruine Straufhain.
Zuerst ging es über
Wiesen (super, meine Füße waren sofort nass) relativ moderat los bis zum
Anstieg hinauf zur Burgruine, wo der erste VP auf uns wartete. Bis dahin hatte uns
mein Mann auf dem Rad begleitet und fuhr nun zurück zum Start, um ins Auto
umzusteigen und uns kurz vor der Feste Heldburg zu erwarten.
Unsere Strategie war klar, eine 8er Pace im Durchschnitt, wo
gelaufen werden kann wird gelaufen und die Anstiege werden konsequent gegangen.
Es folgten schöne Wege durch die Landschaft und schon bald
ging es auf den berüchtigten Kolonnenweg, ein Plattenweg der ehemaligen
Grenztruppen.
Der Weg ist sehr schwierig zu laufen, die Löcher sind tückisch, die
Verletzungsgefahr sehr hoch. Dazu immer wieder regelrechte Rampen sowohl nach
oben als auch abwärts, die z.T. nur gehend sicher zu bewältigen sind.
Trotzdem lief es für uns gut, bereits hier konnten wir
einige Läufer einsammeln und unsere 8er Pace konstant halten.
Bei km 12 verließen wir den Kolonnenweg für´s erste und
liefen wieder durch die Landschaft auf die Fest Heldburg zu, die es bei km 16 zu
erobern galt. Auch hier wieder ein knackiger Anstieg, der mir aber im Vergleich
zum Vorjahr gar nicht mehr so schlimm vorkam. Vielleicht lag es am Wetter,
vielleicht an der guten Tagesform oder an der Kombination von beidem.
Jedenfalls waren wir bereits am VP3 angekommen und richtig gut drauf.
Kurz vor dem ehemaligen Ort Billmuthausen, von dem außer
einer Gedenkstätte und einem alten Mühlstein nichts mehr übrig ist, kam uns zu
unserer Freude mein Mann mit dem Rad entgegen.
Hier war wieder ein VP und schon allein wegen der historischen
Bedeutung dieses Ortes lohnt es sich, ein klein wenig länger zu verweilen und
kurz innezuhalten, bevor es wieder auf den Kolonnenweg ging.
Bis zum nächsten VP in Sülzfeld wurden wir per Rad
begleitet. Dort entschied Petra dann, den Lauf gemeinsam mit mir zu beenden, so
dass mein Mann mit dem Auto zum Start zurückfuhr, um uns dann irgendwo
unterwegs wieder entgegen zu kommen und uns auf den letzten Kilometern zu
unterstützen.
Die Stimmung war nach wie vor super, auch wenn der nächste
Abschnitt des Kolonnenweges schon auf uns wartete. Es war der Abschnitt mit den
steilsten Auf- und Abstiegen.
Nach etwa 33km und drei Minuten nach 11.00 Uhr kamen wir in
Ummerstadt, der kleinsten Stadt Thüringens, auf dem Marktplatz an. Im letzten
Jahr läuteten hier gerade die Mittagsglocken, wir waren demnach bereits hier
eine Stunde schneller als 2015. Die Verpflegung war wieder reichlich. Frisch
gestärkt liefen wir weiter.
Das nächste Highlight war dann der VP in Einöd (der Ort
trägt den Namen völlig zu Recht). Dieser VP ist auf einem Pferdehof gelegen. Im
Gatter gleich neben dem VP stand eine Stute mit einem kleinen Fohlen, das
gerade erst in der Nacht zuvor zur Welt gekommen war. Kurz hinter diesem VP sammelten wir dann auch noch weitere Läufer ein.
Bereits 40km waren absolviert und wir waren immer noch guter
Dinge. Ca. 28km vor dem Ziel kam uns dann auch mein Mann wieder mit dem Rad
entgegen. Die VP´s in Hellingen und Gellershausen wurden passiert. Nun folgte
ein langer Weg durch Wiesen und Felder fast schnurgeradeaus. Die Feste Heldburg
nun im Rücken, liefen wir in Richtung Stausee Westhausen.
Was haben wir letztes Jahr auf diesem Abschnitt in der Sonne
bei fast 35°C geschwitzt und geflucht. Auch jetzt kam die Sonne etwas hinter
der Wolkendecke hervor, aber es hielt sich alles glücklicherweise in Grenzen.
Ab Stausee Westhausen waren es noch ca. 15km bis zum Ziel.
Ich schaute auf meine Uhr und begann zu rechnen. Wenn wir die Pace tatsächlich
so halten könnten, könnten wir theoretisch in unter 9h ins Ziel kommen. Ich
teilte meine Vermutung Petra mit. Deren breites Grinsen und das Funkeln in
ihren Augen verrieten mir, dass sie bereits die gleichen Überlegungen
angestellt hatte und sich der Tatsache durchaus bewusst war.
Nun hieß es, kühlen Kopf zu bewahren und ruhig zu bleiben.
Bis Haubinda und dem letzten VP waren es noch etwa 6km, gespickt mit einem
letzten ordentlichen Anstieg kurz hinter dem VP. Den galt es noch zu schaffen.
Danach ging es nur noch bergab bzw. auf den letzten 4km eben. Wenn die Kräfte
ausreichen, könnte man da noch mal ein wenig Tempo machen.
Und die Kräfte waren noch da. Nach 8:38:xx hatten wir es
geschafft und liefen glücklich gemeinsam über die Ziellienie, über zwei Stunden
schneller als im Vorjahr.
Da in diesem Jahr mehr Frauen am Start waren, hatten wir uns
keine Chancen auf einen Podestplatz ausgerechnet. Doch umso größer war dann die
Überraschung, dass wir gemeinsam auf Platz 2 eingelaufen waren. Nun hatten wir
wieder das Problem wie bereits im Jahr zuvor, es gab nur je einen Pokal für
Platz 2 und 3. Wir einigten und dieses Mal darauf, dass Petra Platz 2 und ich
Platz 3 bekommen, also umgekehrt zum Vorjahr, sozusagen ausgleichende
Gerechtigkeit.
Die Pokale wurden wieder vom Landrat persönlich überreicht,
da dieser Schirmherr vom Borderland Ultra ist.
Gewonnen hat eine Läuferin aus dem Stuttgarter Raum, die diese
Strecke zum ersten Mal bewältig hat.
Schicke Finisher-Shirts gab es auch noch dazu. Links der
Organisator des Borderland Ultra, Silvio Schweinsberg und ganz rechts der
Landrat.
Eigentlich wollte ich den Lauf aus meiner Laufliste
streichen, aber nach diesem Tag werde ich mir das wohl noch mal überlegen.
Der Pokal ist auch etwas ganz besonderes, ein Stück vom originalen
Grenzzaun der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Man hält sozusagen ein Stück
Geschichte in den Händen.
Alles in allem ein sehr liebevoll organisierter
anspruchsvoller Lauf, den man auf jeden Fall weiterempfehlen kann.
(nähere Infos unter: www.borderland-ultra.de)