Wieder zu Hause und einigermaßen erholt kann ich nun auch
verarbeiten, was da am Samstag passiert ist. Mein erster DNF in acht
Läuferjahren und dann ausgerechnet bei so einem Event ist schon bitter, aber
genau betrachtet, war es definitiv die richtige Entscheidung.
Doch von vorn: Freitag morgen gegen halb acht holte mich
meine Freundin Petra, mit der ich den Lauf gemeinsam absolvieren wollte, von zu
Hause ab. Unsere Männer wollten dann später nachkommen, die Radbegleitung war
ja erst ab Teltow bei km 59 geplant.
Wir fuhren also Richtung Berlin und suchten uns dann direkt
am Jahn-Sportpark einen Parkplatz. Dies nahm leider etwas mehr Zeit in Anspruch
als gedacht, so dass wir zur Führung durch das Areal der Mauergedenkstätte etwas
zu spät kamen, was aber kein Problem war.
Gleich im Anschluss daran folgte der
Friendship-Run vom Besucherzentrum zum Start-/Zielareal und weiter bis zum
Ramada-Hotel in der Nähe vom Alexanderplatz (ca. 5km). Dort erfolgte die
Startnummernausgabe
Da wir mittlerweile sehr hungrig waren, machten wir uns
anschließend auf zu einem kleinen Stadtbummel und auf Nahrungssuche. Ich musste
mal wieder für mich feststellen, dass ich Berlin überhaupt nicht mag. Diese
Stadt ist mir zu laut, zu hektisch und viel zu voll (sorry an all meine
Berliner Lauffreunde). Aber gut, ich meide ja auch mein Dresdner Stadtzentrum
und bevorzuge die Ruhe der Natur.
das gab es als Souvenir dazu |
auch Prominenz war am Start. |
Kurz vor zehn Uhr war dann Nachtruhe, ich konnte
einigermaßen gut schlafen und gegen vier Uhr morgens klingelte der Wecker.
Anziehen, Frühstück und ab ging es Richtung Jahn-Sportpark. Viel Zeit bis zum
Start war nicht mehr. Es war schon jetzt relativ warm. Startschuss, eine
dreiviertel Stadionrunde und hinauslaufen in die erwachende Stadt (obwohl – auf
dem Weg zum Start hatte ich den Eindruck, dass die Stadt niemals schläft). Wir
folgten dem Mauerweg und der gepflasterten Linie, die den ehemaligen
Mauerverlauf markiert, durch Berlin hindurch.
Petra, Arne und ich am Reichstagsgebäude |
ein Ausschnitt aus dem Panoramagemälde im Assisi-Panometer |
Der nächste Höhepunkt folgte dann bei etwa km 13 entlang der East Side Gallery. Mittlerweile war es schon recht warm geworden,
die Sonne deutete hier schon an, dass sie uns wohl den ganzen Tag lang
begleiten wird.
Es ging mir gut, auch wenn wir hier eigentlich etwas zu
schnell unterwegs waren, aber es rollte. Wir passierten Neukölln und ich war
froh, aus der Stadt endlich raus zu kommen. Dann liefen wir schier endlos in
der prallen Sonne entlang der Autobahn Richtung Rudow. Inzwischen hatten wir
ca. 30km weg und VP 5 kam in Sicht. Jetzt machten sich erste Schmerzen im
rechten oberen Oberschenkel / Übergang zum Po bemerkbar. Ich kenne dass, hatte
diese Probleme bei meinen vorhergehenden langen Läufen auch schon, konnte diese
dort jedoch immer wieder durch das Gehen an den Anstiegen kompensieren. Aber
hier gab es keine Anstiege und die Gehpausen hinter den VP`s brachten somit
kaum Linderung. Auch mit der Nahrungsaufnahme klappte es nicht so gut, ich
hatte Magenschmerzen, bekam aber kaum was rein, nur Orange und Melone und
musste mich zu einem kleinen Schnittchen regelrecht zwingen. Getrunken hab ich
viel, vorwiegend Wasser und Cola und auch zwischendrin aus meinem Trinkrucksack
immer wieder Wasser.
An einem VP (8, wenn ich mich recht erinnere) stand Falk
Hübner an der Strecke. Er sprach mir gut zu und motivierte mich,
weiterzumachen. Seine Frohnatur und die guten Worte taten gut und es ging
wieder ein Stück besser.
Das Laufen fiel mir aber schon recht schwer. Ich beschloss
daher, mich noch bis zum ersten Wechselpunkt in Teltow (km 59) durchzubeißen,
denn inzwischen meldete sich auch die linke Seite immer heftiger. Hier in
Teltow warteten die Männer mit den Rädern auf uns und wollten uns ab da
begleiten. So war Petra dann nicht allein unterwegs und ich konnte aus dem
Rennen aussteigen.
Ankunft in Teltow |
Meinen Mann hatte ich kurz vor Erreichen des VP`s schon telefonisch
informiert, so dass er sich darauf einstellen konnte. Als ich jedoch meinen
Chip abgeben wollte, überredete mich der Helfer vor Ort und auch einige
Mitläufer, mich doch ersteinmal eine ganze Weile auszuruhen, umzuziehen (einmal
komplett Wechselsachen incl. Schuhe hatte ich im Drop-Bag deponiert), was zu
essen und dann zu entscheiden, ob ich aufhöre oder weiterlaufe. Also
verabschiedete ich mich von Petra, denn von nun an würden wir getrennt laufen,
und wünschte ihr alles Gute. In der Sporthalle am Wechselpunkt gab es Duschen,
die ich auch gleich nutzte. Ich zog mich um und ruhte mich etwa eine halbe
Stunde aus.
Danach fühlte ich mich wieder besser und es ging doch weiter, die
Zeit bis zum Zielschluss würde locker reichen, selbst wenn ich von hier aus
straff wandern würde.
Bis zum übernächsten VP bei km 72 lief es auch wieder recht
gut. Jedoch nagten die knapp 7 km schnurgeradeaus durch den Wald schon
mächtig an der Moral. Ab VP 12 habe ich dann nach jedem Kilometer eine Gehpause
eingelegt, jedoch wurden von nun an die
Laufabschnitte immer kürzer und die Gehpausen immer länger.
Von der Natur und der schönen Landschaft rund um den
Sarkow-Paretzer Kanal habe ich nicht viel mitbekommen. Auch als ich über die Glienicker
Brücke lief, konnte ich das nicht mehr so richtig genießen. Der Magen drückte, der
Kreislauf wollte nicht so recht und ab der Hüfte abwärts tat alles einfach nur
weh und die Beine waren schwer und fest. Auch die Füße brannten ganz schön.
Dieses monotone Laufen auf ebenem und zumeist asphaltiertem Untergrund war nix
für meinen Körper und erst recht nichts für meinen Kopf.
Glienicker Brücke |
Unterstützung bekam ich in der Phase viel. In erster Linie
von meinem Mann, der mir immer gut zuredete und mich motivierte. Auch über
Whats app gab es viele aufmunternde Texte von Bekannten und Freunden. Der Hit
aber war Christian Kemper, der Organisator vom Nachtzechelauf in Freiberg, der
mir Sprachbotschaften schickte und mich aufzubauen versuchte. Er hatte zum
Thüringen Ultra Anfang Juli die 100 Meilen dort bravourös gefinisht und konnte
gut nachvollziehen, was gerade in mir vorging. Ich war zu Tränen gerührt, aber
leider half auch diese Motivation nicht gegen meine Schmerzen. Jeder Schritt
wurde zur Qual und somit stand für mich fest, dass ich aussteigen werde. Es
galt nur noch zu überlegen, von wo aus ich dann am günstigsten zum Quartier in
Stahnsdorf komme.
Da der nächste Wechselpunkt am Schloss Sacrow war und ich
dort meine langen Laufsachen für die Nacht deponiert hatte, beschloss ich, mich
wenigsten noch bis dahin zu schleppen, damit ich trockene, warme Sachen habe.
Die letzten 6 km zwischen VP 14 und 15 konnte ich jedoch nur noch wandernd
überwinden und selbst das fiel mir recht schwer.
In Sacrow angekommen, packte ich mich erstmal auf eine Matte
und ruhte mich aus. Mein Mann wollte mir etwas zu essen und zu trinken holen,
aber ich bekam nichts runter. Meine Gedanken kreiselten und ich überlegte, mich
jetzt hier länger auszuruhen, umzuziehen und die „restlichen“ 71 km bis ins
Ziel zu wandern. Inzwischen war es 20.00 Uhr, ich schon 14 Stunden unterwegs. Die
Zeit hätte noch ausgereicht, um vor Zielschluss anzukommen.
Aber war das
wirklich das, was ich wollte, 71 km und somit noch reichlich 14 bis 18 Stunden wandern,
durch die Nacht (ich glaube, auch dieser Punkt war mental sehr entscheidend),
mit den Schmerzen? War das mein Anspruch an einen Lauf – ankommen um jeden
Preis? Definitiv nicht – ich muss niemandem irgendwas beweisen. Ich bin gerade
knapp 91km gelaufen, nicht in den Bergen mit hoch und runter, sondern flach und
eintönig. Und darauf bin ich stolz und mit meiner Entscheidung, an dem Punkt
aufzuhören, auch völlig im Reinen.
Meine Freundin Petra kam sehr gut durch und finishte in einer super Zeit von 23:45.xx. Sie will diesen Lauf nächstes Jahr wiederholen. Dann verläuft die Laufstrecke in umgekehrter Richtung und es gibt zusätzlich zur Finisher-Medaille noch eine Back-to-back-Medaille für sie dazu.
Für mich war es schön, ein Teil dieser Mauerweglauf-Gemeinde gewesen zu sein.
Ich bin um einige Erfahrungen und Erkenntnisse reicher und weiß nun, dass diese
Art von Lauf nicht mein Ding ist (und ich vielleicht doch mal das Laufen durch
die Nacht trainieren sollte). Ich fühle mich im Thüringer Wald und Harz auf
jeden Fall wohler und werde daher auch keinen neuen Versuch starten, den
Mauerweg-Lauf doch noch mal zu finishen. Was die 100 Meilen betrifft – da gibt
es noch andere Möglichkeiten, z.B. in fünf Jahren zum 15. Thüringen Ultra. Aber
das wird dann sicher eine andere Geschichte und wer weiß, was bis dahin noch
alles passiert.
Liebe Ines, als ich Deinen Post gerade gelesen habe, hätte ich Dich am liebsten in den Arm genommen. Wahnsinn was Du geleistet hast und Hut ab vor der Entscheidung den Lauf abzubrechen, welche mit Sicherheit die richtige war. Ganz toll gemacht !!!!
AntwortenLöschenLiebe Grüße Leen